Stauferkurier Ausgabe Oktober 2015, Beitrag von Alfonso Fazio:
Erstmal eine Klarstellung für alle, die damit Stimmung gegen die Flüchtlinge betreiben: dass die Menschen, die zu uns kommen, gut angezogen sind, hat nur damit zu tun, dass es viele Menschen im Rems-Murr-Kreis gibt, die gut erhaltene Markenkleidung spenden. Danke an alle Spender.
Zurzeit organisieren sich Menschen in unserem Land, um Asylbewerberunterkünfte zu verhindern. Unser Land als eines der reichsten Länder der Welt ist anscheinend nicht mehr in der Lage, Menschen in der Not menschenwürdig unterzubringen. Ich frage mich: wissen diese Menschen, die Aufnahmestellen für Flüchtlingen verhindern wollen, wie in einer Turnhalle, unterteilt mit Absperrungszäune, gelebt wird? Wissen die, die Straßen blockieren, damit keine Unterkunftsmöglichkeiten gegeben werden können an Menschen, die sowieso alles verloren haben, was es bedeutet, dem Tod entfliehen zu müssen und alles zurückzulassen, auch seine kranke Frau und seinen einzigen dreijährigen Sohn, wohl wissend, dass ein Sterben seiner Frau, weil sie nicht mehr mit frischem Blut versorgt werden kann, auch den Tod seines Sohnes bedeutet? Haben diese Menschen, die Angst haben, dass uns alles weggenommen wird, jemals mit einem Betroffenen gesprochen. Haben sie die Bilder der Zerstörung in Syrien, Afghanistan gesehen? Haben solche Menschen sich vielleicht die Frage gestellt, mit welchen Waffen diese Zerstörung stattfindet und ob eventuell auch deutsche Waffen dabei sind – und deshalb wir auch einen Teil von unserem Wohlstand mit todbringenden Maschinen erreichen konnten? Haben sich diese Menschen die Fragen gestellt, ob es wirklich so ist, dass die notleidenden Flüchtlinge an mangelndem bezahlbaren Wohnraum, an zu niedrigen Sätzen bei Hartz 4, beim Kindergeld, bei zu wenigen Kindergartenplätzen und am Investitionsstau an unseren Schulen schuldig sind?
Nein, wahrscheinlich nicht, denn sie müssten dann jemand anderem die Schuld geben.