Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Dr. Schmidt-Hieber,
alle Jahre wieder erleben wir eine nette Überraschung bei der Einbringung des Haushaltsplanes.
Für die Waiblinger Bürgerinnen und Bürger war dies in diesem Jahr die Feststellung, dass die schon seit langem diskutierte Bebauung des Alten Postplatzes einen Grundstückserlös von 2,1 Mio. Euro einbringen soll. Dies war bisher nur in nicht-öffentlicher Sitzung besprochen worden.
Seit 1992 sind für dieses Gelände seitens der Stadt allein für den Grundstückserwerb 4,6 Mio. Euro ausgegeben worden. Weiterhin sind für Planung und Gutachten ca. 350.000 Euro ausgegeben worden. Weitere Kosten von 2,3 Mio. Euro kommen für den Umzug der Bewohner und Betriebe, für den Abbruch der bestehenden Gebäude, für Straßenbau- und Versorgungsmaßnahmen hinzu.
Rechnet man die für das Jahr 2006 und 2007 notwendig werdende Ausgaben für die Verlagerung der Karolinger-Grundschule ins Staufer Schulzentrum mit circa 3 Mio. Euro und nicht 4 Mil. € wie im Haushaltsplan fälschlicherweise dargestellt mit ein, haben wir Gesamtausgaben in einer Größenordnung von circa. 10,25 Mio. Euro.
Die 2,1 Mio. Euro für den Grundstückserlös entgegengesetzt, haben wir eine nicht zu rechfertigende Subventionierung dieses Projektes.
Wenn meine Fraktion sich gegen die Realisierung dieses Projektes ausspricht, dann kann man dies doch nicht mit dem Vorwurf kontern, dass wir hier gegen das Interesse der Stadt vorgehen.
Ganz im Gegenteil: Wir sind es doch, die gerade im Interesse der Stadt hier Widerspruch einlegen, denn abgesehen von den immer noch monströsen Ausmaßen der Baumaßnahme, kann doch wohl niemand im Gemeinderat mit ruhigem Gewissen einen Investor, der womöglich nur ein Abschreibungsobjekt errichten will, subventionieren.
Die Behauptung, es sei von vornherein klar gewesen, dass dieses Projekt von seitens der Stadt subventioniert werden muss, ist falsch. Vielmehr ist man auf Investorensuche gegangen, um festzustellen, wer mit welchen Maßnahmen sich für die Umgestaltung des Alten Postplatzes und eine entsprechende Investition dort interessieren könnte.
Dass wir damals dem Investorenwettbewerb zugestimmt haben, kann doch jetzt nicht so ausgelegt und missbraucht werden, als hätten wir damit bereits endgültig und bedingungslos der Bebauung des Alten Postplatzes zugestimmt. So ist es für uns in keinster Weise nachvollziehbar und akzeptabel, dass wir zuerst Millionen von Steuergeldern, die uns dann an anderer Stelle fehlen, investieren, um anschließend vom Investor wiederum die mit Hilfe unserer Subventionen gebaute Tiefgarage anzumieten. Damit schließt sich einer gigantischen Einmal-Investition eine Dauersubventionierung eines aus unserer Sicht mehr als fragwürdigen Projektes an.
Dies ist einer dieser Schildbürgerstreiche, die die Bürger mit dem Begriff "Wir" – Waiblingen irrt regelmäßig – verbinden.
Jeder, der in der Stadt baut, hat Erschließungsgebühren zu bezahlen. Die dem möglichen Investor erlassenen Erschließungskosten in Höhe von 1,2 Mio. Euro für Straßenbau und Versorgungsleitungen sind gegenüber der Bürgerschaft in keinster Weise zu rechtfertigen und sorgen dafür, dass der Unmut in der Stadt immer größer wird.
Wir sind gewählt, damit wir uns für die Gleichbehandlung unserer Bürgerschaft einsetzen, und hier wird die Gleichbehandlung mit Füßen getreten.
Deshalb beantragt meine Fraktion, bei zukünftigen Bauvorhaben in der Stadt auf die Erhebung von Erschließungsgebühren zu verzichten. Nur so kann man gegenüber der Bürgerschaft eine Gleichbehandlung erreichen.
Die Arroganz der jetzigen Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat und in den Ausschüssen von der Zählgemeinschaft SPD/FDP und DFB bei der Frage der Gestaltung des Alten Postplatzes ist unerträglich. Diese Fraktionen, die sich im Wahlkampf für Bürgerbeteiligungen ausgesprochen haben, um Wählerstimmen zu kassieren, haben nun mit der Ablehnung eines Bürgerentscheids seitens des Gemeinderats bewiesen, dass sie genau das Gegenteil von dem was sie versprochen haben, nun tun.
Ich bin stolz auf meine Fraktion, dass sie mit mir den Weg mitgegangen ist, einen Antrag auf Änderung der Hauptsatzung zu stellen. Dadurch ist schließlich der Bürgerentscheid für die Neugestaltung des Alten Postplatzes erst ermöglicht worden. Ich bin auch deshalb stolz, weil wir mit diesem Antrag unser Wahlversprechen eingelöst haben, Entscheidungskompetenz wieder an die Bürgerschaft zurückzugeben. Der Erfolg der Initiative BAPP zeigt uns doch deutlich, dass die Bürgerinnen und Bürger in solch zentralen Fragen mitbestimmen wollen.
Angesichts einer solchen Subventionierungsmentalität der übrigen Fraktionen im Gemeinderat hinterfrage ich meine eigene Entscheidung und überlege, ob es richtig war, bei der Sanierung des Freibads standhaft zu bleiben und die 6. Bahn abzulehnen und somit letztlich sogar bereits eingesammelte Spendengelder wieder zurückzuzahlen. Die 80.000 Euro sind im Verhältnis zur Subventionierung des alten Postplatzes wirklich nur (peanuts) Pienatz Diese Investition wäre von großen Teilen der Bevölkerung mitfinanziert und politisch mitgetragen worden.
Wenn der Oberbürgermeister die jährliche Subventionierung der Bäderlandschaft in der Stadt anprangert, sogar Initiativen ergreifen will für mögliche Schließungen von Bädern in den Ortschaften, dann frage ich mich, wie er die unsinnigen Postplatz-Subventionen rechtfertigen will.
Im vollen Bewusstsein, dass die Haushaltslage der Stadt nicht die beste ist, hat meine Fraktion nur wenige Anträge gestellt. Die Begründung für diese Anträge wird dann in den Haushaltsberatungen erfolgen, aber auf einen Antrag, der meiner Fraktion besonders am Herzen liegt, möchte ich doch heute schon eingehen.
Wir haben beantragt, als Empfehlung an den Aufsichtsrat der Stadtwerke, dass die eigene erzeugte Strom-Menge aus regenerativer Energie jährlich um 25% gesteigert wird. Damit sollen die eigenen Kosten für den Strombezug für regenerative Energie minimiert werden. Wir müssen erkennen, dass es langfristig betrachtet keine Alternativen gibt zur Nutzung der uns kostenlos zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen, wie z.B. Sonne. Deshalb sind wir geradezu verpflichtet, hier in größerem Umfang als bisher investiv tätig zu werden.
Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt-Hieber,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats,
in den vergangenen Wochen und Monaten ist der Gemeinderat gezwungen worden, mehrere Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Schweigepflicht zu stellen. Das ist für mich ein zusätzlicher Anlass, die Arbeit des Gemeinderats mit meinem Demokratieverständnis erneut zu überprüfen.
Ich will die Verletzung der Schweigepflicht nicht entschuldigen und schon gar nicht rechtfertigen, aber wir müssen uns alle hinterfragen lassen, ob die Art und Weise der politischen Arbeit des Gemeinderats, angefangen beim Verhalten des Oberbürgermeisters, demokratisch genug ist.
Immer mehr und immer häufiger schließen die Verwaltung und der Gemeinderat die Öffentlichkeit aus dem Prozess der politischen Meinungsbildung aus, indem zugelassen wird, dass immer mehr Themen, selbst solche, die eigentlich eine öffentliche Diskussion schon erfahren haben, in nicht-öffentlichen Sitzungsteile von Gemeinderat und Ausschüssen versteckt werden.
Dies habe ich in einem umfänglichen Schriftverkehr, betreffend der Kulturausschuss-Sitzung am 17. November dem Oberbürgermeisters bereits ausführlich dargelegt. Jeder, der hier zulässt, dass ohne nachvollziehbare Begründung die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, trägt zum Demokratie-Verdruss und letztlich zum Demokratie-Verlust mit bei.
Deshalb formuliere ich hier im Namen meiner Fraktion die Erwartung, dass sich sowohl die Verwaltung in Person des für die Aufstellung der Tagesordnung zuständigen Oberbürgermeisters, als auch die anderen Fraktionen künftig sehr genau überlegen, welche Punkte dringlichst einer nicht-öffentlichen Beratung bedürfen und welche besser gleich öffentlich beraten werden. Bei diesem Anliegen erwarte ich auch die Unterstützung der anderen Fraktionen, denn dieses geheimniskrämerische Verhalten schadet letztlich dem gesamten Gremium.
Am 12. November ist die West-Umfahrung für den Verkehr freigegeben worden. Ich verrate hier kein Geheimnis, wenn ich sage, dass für mich, meine Fraktion und viele, viele Bürger dies ganz gewiss keine Feierstunde war. 23 Millionen Euro sind verbuddelt worden für die Zerstörung des Schmidener Feldes, des drittbesten Ackerbodens in Deutschland. Für die zusätzliche Belastung in Hegnach sind die Befürworter dieser Westumfahrung gänzlich allein verantwortlich.
Wie im letzten Jahr möchte ich mich zum Schluss bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung bedanken, besonders natürlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtpflege, die trotz des personellen Wechsels auf der Position des Stadtpflegers das Zählwerk des Haushaltsplanes uns wieder pünktlich vorgelegt haben.
Erlauben Sie mir aber auch, dass ich mich im voraus schon bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie bei allen Wahlhelferinnen und Wahlhelfern für die Durchführung des anstehenden Bürgerentscheides am 16. Januar 2005 bedanke.
Dieser Bürgerentscheid ist erstmalig in der Geschichte der Stadt, wie bereits in der Presse erwähnt worden ist, und – gestatten Sie mir – dass ich persönlich hierauf stolz bin.
Ich gratuliere auch ganz besonders den Mitgliedern von BAPP für ihr großes Engagement sowie allen Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihrer Unterschrift oder auf sonstige Art und Weise das Bürgerbegehren unterstützt haben. Ich bitte jede und jeden Einzelnen, der unterschrieben hat, noch weitere Personen, die diese Art der Bebauung des Alten Postplatzes nicht wollen, zum Urnengang am 16. Januar zu bewegen. Ich fordere aber auch alle anderen Bürgerinnen und Bürger dazu auf, diese Entscheidungsverantwortung mit zu übernehmen und am 16. Januar mit zu entscheiden um zu beweisen, dass wir in einer lebendigen Demokratie leben!
Danke für das Zuhören.